2 Männer und 1 Frau im Gespräch auf der Couch eines Hochschullabors

Transferscouts für Leichtbau – ein Interview

Im Interview mit den Transferscouts für Leichtbau vom Innovation Hub 13 erläutern die Experten z.B., wie die Expertise der Hochschulen mit den Bedürfnissen der Unternehmen kombiniert wird und welche Vorteile die Zusammenarbeit der Unternehmen mit der Forschung hat.

„Die Expertise der Hochschulen mit den Bedürfnissen der Unternehmen kombinieren“

Gewichtsreduktion, Sicherheit, Standardisierung: Fünf Forschungseinrichtungen und Unternehmen aus der Hauptstadtregion haben sich zusammengetan, um weltweit einzigartige Gerätecontainer zu bauen. Eine wichtige Rolle spielen dabei neue Fügetechniken und äußerst leichte Hybridlaminate. Denn die können so ziemlich alles, was konventionelle Materialien nicht schaffen. Wissen, Erfahrung und Innovationsgeist treffen bei dem Vorhaben zusammen.

Der Leichtbau bietet für viele Unternehmen eine gute Chance, sich am Markt zu behaupten. Doch viele Firmen wissen noch gar nicht, welche Lösungen es schon gibt oder welches Verfahren für eine konkrete Fragestellung das Beste ist. Deshalb unterstützen Stefan Kamlage aus dem Forschungsbereich PYCO des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Polymerforschung (IAP), Sarah Schneider von der Technischen Hochschule Wildau und Marco Lubosch von der Brandenburgischen Technischen Universität (BTU) Cottbus – Senftenberg die Unternehmen in Brandenburg auf der Suche nach der richtigen Lösung.

Für welche Unternehmen und Produkte ist denn der Leichtbau geeignet?

Sarah Schneider: Das bekannteste Beispiel ist der Transportsektor, sowohl die Raumfahrt, die Automobilindustrie, Schienenfahrzeuge und Flugzeuge. Denn hier geht es darum, mit leichteren Bauteilen das Gesamtgewicht zu senken und damit Betriebskosten und Emissionen zu sparen.

Stefan Kamlage: Die Verfahren und Leichtbaukomponenten werden in der Regel zuerst in der Luft- und Raumfahrt etabliert. Denn in diesen Bereichen hat man schnell große Einsparungsmöglichkeiten mit leichteren Teilen, auch wenn der Preisunterschied zum herkömmlichen Teil groß ist. Im Bahn- oder Automobilbereich dürfen insbesondere die Leichtbauteile aus Kunststoffen in der Regel nur wenige Cent mehr kosten als die bisher genutzten Teile, sonst werden sie nicht eingesetzt. In den Fokus rücken hier besonders die faserverstärkten Komponenten die bei PYCO und dem Fachbereich Polymerbasierter Leichtbau von Professor Seidlitz an der BTU entwickelt werden. Der Leichtbau kann bei neuen Technologien wie in der Elektromobilität entscheidend sein. Denn wenn einzelne Baugruppen leichter werden, kann auch die gesamte Umgebung dieser Baugruppen leichter werden, da die Anforderungen an die notwendige Tragfähigkeit sinken. Das wiederum gleicht beispielsweise im Elektroauto das höhere Gewicht bei den Energiespeichern aus.

Marco Lubosch: Es geht aber nicht nur um bewegte Teile. Auch das Gestell einer Maschine ist ein klassisches Leichtbauteil. Da geht es dann um Einsparungen beim Rohmaterial. Wenn ein Bauteil um 30 Prozent leichter werden kann, bedeutet das immer auch, dass man 30 Prozent weniger Material benötigt.

Stefan Kamlage: Dazu kommt noch, dass dann eine leichtere Maschine auch flexibler eingesetzt werden kann. Besonderes Potential bieten die Nutzung von faserverstärkten Polymeren und von hybriden Komponenten. Man braucht eventuell kein besonders tragfähiges Fundament mehr, das die Last der Maschinen ableiten muss, sondern kann sie dann durchaus auch im zweiten Stock eines Produktionsbetriebs auf einer schon vorhandenen Decke aufstellen, ohne dass man deren Resttragfähigkeit erhöhen muss.

vier Personen beim Gespräch auf dem Sofa
Stefan Kamlage, Sarah Schneider und Marco Lubosch vom Innovation Hub 13 im ViNN:Lab der Technischen Hochschule Wildau

Macht Leichtbau die Unternehmen auch flexibler und unabhängiger von Zulieferern?

Marco Lubosch: Natürlich. So machen Leichtbautechnologien wie die Additive Fertigung unter anderem die Verfügbarkeit von Ersatzteilen beispielsweise im Bahnbereich einfacher. Denn dort sind viele unterschiedliche Zugmodelle unterwegs, die teilweise neu, teilweise aber auch schon über 50 Jahre alt sind. Die Betreiber dieser Züge müssen aber zu jeder Zeit für jedes Modell Ersatzteile vorhalten, was riesige Lagerkapazitäten beansprucht. Wenn aber in jedem Instandhaltungswerk mittels 3D-Drucker eine eigene Fertigung aufgebaut werden kann, können kurzfristig Ersatzteile hergestellt werden und man muss nur noch das Rohmaterial vorhalten aus dem dann die jeweiligen Bauteile hergestellt werden.

Stefan Kamlage: Das gilt auch für große Betriebe, wo die Produktionsanlagen teilweise viele Jahrzehnte lang laufen. Wenn da ein Bauteil defekt ist, wird das umso teurer je länger die Anlage steht. Deshalb müssen die Ersatzteile vor Ort vorhanden sein. Hier bietet die Additive Fertigung den Vorteil, dass das Unternehmen flexibel das Ersatzteil vor Ort produziert und es damit sofort verfügbar ist. Teilweise kann man so auch mit weiterentwickelten Bauteilen die Anlagen optimieren. Dann ist man auch in der Produktion extrem flexibel. Hier können die Experten der Hochschulen aus den Bereichen Simulation und Auslegung von (Kunststoff-) Komponenten helfen.

Wie kommen die Unternehmen zu den Informationen, welche Möglichkeiten es gibt und welche ist für sie die geeignete?

Sarah Schneider: Das ist unsere Aufgabe als Transferscouts. Meist kommen wir mit den Unternehmen auf Veranstaltungen oder Messen in Kontakt, an denen sie teilnehmen. Wir prüfen zunächst den Bedarf des Unternehmens und weisen auf bestimmte Lösungen hin, die von den Hochschulen und Forschungseinrichtungen entwickelt wurden und stellen den Kontakt her. Es kann aber durchaus auch sein, dass Unternehmen mit einem konkreten Problem auf uns zukommen und fragen, ob wir eine geeignete Lösung im Bereich des Leichtbaus dafür kennen. Wenn ein Bedarf besteht, vermitteln wir dann einen entsprechenden Experten in den Hochschulen und Forschungseinrichtungen, der eine geeignete Lösung hat. Wir versuchen damit, die Expertise der Hochschulen mit den Bedürfnissen der Unternehmen zu kombinieren.

Marco Lubosch: Wir haben im August 2019 in Cottbus den ersten Tag der additiven Fertigung veranstaltet. Viele Unternehmen haben daran erst einmal nur aus Interesse teilgenommen, ohne einen konkreten Bedarf oder schon eine Projektidee zu haben. Vor Ort haben sie die Fertigungsanlagen gesehen und waren überrascht, welche Möglichkeiten es in Brandenburg schon gibt, von denen sie bisher noch nichts wussten. Über genau solche Veranstaltungen entstehen Ideen, was die Unternehmen mit diesen innovativen Technologien zukünftig machen können, um ihre eigenen Herausforderungen zu lösen. Wir konnten damit den UnternehmerInnen zeigen, dass die Lösungen in Brandenburg für vieles bereits vorhanden sind und es die richtigen Ansprechpartner hier vor Ort gibt. Sie müssen nur die Chance ergreifen.

Stefan Kamlage: Wir stehen auch in engem Kontakt mit den Wirtschaftsfördergesellschaften in Brandenburg und Berlin, dem VDI mit seinen Arbeitskreisen Kunststofftechnik in Berlin und Kunststoffe und Leichtbautechnologien in Cottbus, der von Professor Seidlitz gegründet wurde, sowie regionalen Wirtschaftsförderern oder Netzwerken, deren Aufgabe es ist, Unternehmen in Kontakt miteinander zu bringen. Dort äußern die Unternehmen, wenn sie ein Problem haben, aber keine Lösung dafür finden. Dann vermitteln diese den Kontakt des entsprechenden Betriebs zu uns. Wir können die Unternehmen entlang der gesamte Wertschöpfungskette unterstützen. Das fängt bei der Materialauswahl und -entwicklung an, geht über die Simulation, Auslegung und Konstruktion, die Fertigungsverfahren von Halbzeugen und Bauteilen bis hin zur Herstellung von Demonstratoren. Die möglichen Fertigungsverfahren erstrecken sich, neben den in der Industrie etablierten Verfahren, vom Handlaminieren über automatisiertes Ablegen von Tapes (AFP) und bis hin zur Additiven Fertigung. Die Konstruktion kann jetzt anforderungsgerecht erfolgen und muss nicht mehr fertigungsgerecht sein. Oft können Metalle durch Polymere oder faserverstärkte Kunststoffe ersetzt werden.

Bisher gibt es unter anderem an den Hochschulen schon Transferstellen, die sich damit beschäftigen, die Forschungsergebnisse in die Umsetzung durch Unternehmen zu bringen. Welche zusätzlichen Möglichkeiten haben Sie als Transferscouts?

Stefan Kamlage: Die Transferstellen sind für die Überführung der Forschungsergebnisse aller Institute einer Hochschule oder einer Forschungsstelle in die Wirtschaft verantwortlich. Sie sind personell nicht so stark besetzt, als dass sie sich dabei in jedes einzelne Thema vertiefen können. Als Transferscouts haben wir einen engeren thematischen Bezug und wissen, welche Fragen wir den Unternehmen stellen müssen, um herauszufinden, was sie brauchen. So können wir die Unternehmen besser begleiten.

Marco Lubosch: Außerdem haben wir den Vorteil, dass wir die Expertise im Thema Leichtbau aller drei imInnovation Hub 13 beteiligten Universitäten und Forschungseinrichtungen miteinander verknüpfen können. Denn diese ergänzen sich sehr gut und haben nur wenige thematische Überschneidungen. Wenn ich beispielsweise eine Anfrage bekomme, für die die BTU Cottbus – Senftenberg keine Lösung anbieten kann, leiten wir die Anfragen natürlich auch an die anderen Partner im Innovation Hub weiter.

Sarah Schneider: Wir haben den engen Kontakt zu den Unternehmen. Wir nehmen deren Bedarf auf und wissen, welche Lösungen es bereits gibt oder an welchen die Forschergruppen derzeit arbeiten. Auf diese Weise erfahren die Unternehmen auch, auf welche Verfahren sie in Zukunft zurückgreifen können. Das geht auch in die andere Richtung. Indem wir den Bedarf aus der Industrie aufnehmen, können wir den Forschern Hinweise geben, welche Probleme bei den Unternehmen überhaupt bestehen und an welchen Stellen noch Forschungsbedarf ist.

vier Personen im Gespräch

Wie weit geht Ihre Vermittlerrolle zwischen Forschung und Industrie?

Sarah Schneider: Das geht vom Aufzeigen der vorhandenen Lösungen über die Vermittlung von Kontakten zwischen Forschung und Unternehmen, die konkrete Terminvereinbarung und die Sicherstellung, dass diese Termine auch zustande gekommen sind, bis hin zur Übersetzerrolle. Denn Wissenschaft und Wirtschaft sprechen oft unterschiedliche Sprachen. Außerdem können wir unterstützend tätig werden, wenn es darum geht, einen Förderantrag für ein konkretes Entwicklungsprojekt zu stellen, das ein Industrie- und ein Forschungspartner gemeinsam angehen wollen.

Stefan Kamlage: Wir haben auch die Möglichkeit, verschiedene Unternehmen als potenzielle Partner zusammenzubringen. Wir führen regelmäßig Workshops mit den Arbeitskreisen des VDI (Kunststofftechnik in Berlin sowie Kunststoffe und Leichtbautechnologien in Cottbus) durch. Dort wird über aktuelle Themen berichten und Unternehmen tauschen sich aus. Sie können in ruhiger Atmosphäre neue Kooperationsansätze besprechen. Wir haben in Brandenburg wenige Unternehmen im Bereich Leichtbau, die wirtschaftlich in Konkurrenz zueinanderstehen. Die meisten ergänzen sich gegenseitig, weil sie in unterschiedlichen Bereichen unterwegs sind. Selbst wenn sie im gleichen Umfeld agieren, können sie sich bei den Veranstaltungen vernetzen und über Probleme austauschen, die sie schon gelöst haben. Denn es gibt wenige Unternehmen, die genügend Kapazitäten haben, alle Fehler selbst zu machen.

Was muss ein Unternehmen beachten, wenn es mit einem Forscherteam an einer Hochschule zusammenarbeitet?

Sarah Schneider: Wichtig ist zu beachten, dass die Hochschulen in andere Zeitzyklen agieren und nicht immer genügend Personal haben, um ein Forschungs- und Entwicklungsprojekt sofort umzusetzen. Die Unternehmen haben oft ein ganz anderes Zeitmanagement vor Augen, in dem so ein Projekt ablaufen soll.

Marco Lubosch: Wir können an den Hochschulen zum Beispiel auch keine Serienproduktion abbilden. Wenn die Hochschulen und Institute eingebunden sind, hat so ein Projekt ganz klar einen Forschungscharakter. Denn hier geht es immer darum zu prüfen, ob die Produkte und Prozesse tatsächlich auch so realisierbar sind, wie es das Unternehmen braucht.

Welche Vorteile hat denn dann die Zusammenarbeit der Unternehmen mit der Forschung?

Marco Lubosch: Wir haben es in unserer Region hauptsächlich mit kleinen und mittleren Unternehmen zu tun. In der Regel haben diese keine eigene Forschungsabteilung. Dazu kommt, dass der Einsatz neuer Technologien teilweise ein großes finanzielles Risiko bedeuten kann, wenn noch unklar ist, ob sich Investitionen zukünftig auch auszahlen. Deshalb sind sie vorsichtig und nehmen neue Technologien nicht so schnell an, wie sie es könnten. Vielen ist aber auch nicht klar, dass Forschung und Entwicklung bis zu einem gewissen Grade an unsere Institute ausgelagert werden kann und auch soll. Sowohl vom Land als auch vom Bund gibt es hierfür spezielle Fördermittel, die die Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Forschungseinrichtungen und Unternehmen unterstützen sollen.

Das Interview führte Sven Ullrich im Auftrag der Kampagne „Nachhaltig heute in Brandenburg“ im ViNN:Lab der Technischen Hochschule Wildau.

Transferscouts für Leichtbau

Dr.-Ing. Sarah Schneider
Transferscout Leichtbau / Innovation Hub 13
Technische Hochschule Wildau
Tel.: +49 (0) 3375 508 498
Mobil: +49 (0) 175 1957644
Mail: sarah.schneider@th-wildau.de

Marco Lubosch, M.Sc.
Transferscout Leichtbau / Innovation Hub 13
Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg
Tel.: +49 355 69 4464
Mobil: +49 170 282 63 89
Mail: Marco.Lubosch@b-tu.de

Dr. rer. Nat. Stefan Kamlage
Transferscout Leichtbau / Innovation Hub 13
Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung IAP
Tel.: 03328 330 299
Mail: stefan.kamlage@iap.fraunhofer.de